Bakterium-Wasser licht(et) Geschichte (1999/2000)
Bakterium-Selbstzeugnisse (1999/2000)
Bakterium-Vanitas (2000/2001)
Allen Arbeiten der drei Serien ist ein besonderes Verfahren der Bilderzeugung gemein: Es beruht auf den phototaktischen Eigenschaften bestimmter Bakterien. Diese Bakterien orientieren sich zum Licht. In einer naturwissenschaftlichen Versuchsanordnung werden photographische Verfahren mit Bakterienkulturen nachvollzogen. Während mehrerer Tage wachsen die Bakterienkulturen die ihnen vorgegebenen Bilder nach. Der Bewegungs- und Wachstumsprozess der Bakterien in einer Agar-Nährlösung in durchsichtigen Petrischalen ähnelt dem der Belichtung von Photopapier: Die Stellen, auf die das Licht fällt, werden dunkel, die, auf die wenig Licht fällt, bleiben hell. Für Bakterium-Wasser licht(et) Geschichte und Bakterium-Selbstzeugnisse wurden, wie bei der klassischen Photographie, die Negative auf die Bakterienkulturen projiziert. Die Serie Bakterium-Vanitas folgt dem Verfahren des Photogramms: Die abzubildenden Gegenstände wurden zwischen die Petrischale und die von unten strahlende Lichtquelle gelegt. Die Bilder, die durch den organischen Wachstumsprozess der Bakterien entstanden, wurden photographiert und auf ca. 80 x 80 cm vergrößert. Diese Arbeiten dokumentieren einen höchst ephemeren Zustand, einen Moment in einem organischen Prozess des Entstehens und des Zerfalls. Die Fragilität dieses Zustands strahlen die schattenhaften, an die Experimente der Frühzeit der Photographie erinnernden Bilder aus. Zugleich folgt das Verfahren einer wissenschaftlichen Versuchsanordnung und ihrer Dokumentation. Alle Bilder besitzen das selbe runde Format, vom Rand der Petrischale begrenzt.
Für Bakterium-Selbstzeugnisse wurden Mikroskop Aufnahmen der Strukturen einzelner Bakterien auf mit Bakterienlösung gefüllte Petrischalen projiziert. Auf diese Weise bilden die Bakterienkulturen ihr eigenes Mikrobild nach. Eine Unmenge für das Auge nicht erkennbarer Organismen formiert sich zu einem Superzeichen eben dieser Organismen, deren Lebendigkeit in ihr Abbild eingeht.
Die Serie Bakterium-Wasser licht(et) Geschichte reflektiert die potentielle Verwandlung aller Architektur in Ruinen am Beispiel des (mittlerweile gesprengten) Kieler U-Boot-Bunkers Kilian. Im Inneren der Petrischalen erkennt man die Umrisse des teilweise zerstörten, riesenhaften Bunkers. Teile des Bunkers scheinen wie ein Schiffswrack im Wasser zu versinken, andere stehen noch aufrecht, mit dunklen Fensterhöhlen und offenbar meterdicken Betonwänden, vom Verfall jedoch bereits angegriffen. Dem Verfall des Gebäudes steht das Entstehen und wieder Vergehen seines Abbilds in der Petrischale gleichnishaft gegenüber.
Die Vergänglichkeit der Materie ist ein Hauptgedanke der dritten Serie, Bakterium - Vanitas. Edgar Lissel greift Motive klassischer Stillleben auf, wie Früchte oder tote Tiere. Ihr Zerfallen überträgt sich auf ihr Abbild in der Petrischale. Die Gegenstände erscheinen zwar als relativ deutlich sich abhebende helle Silhouetten; doch auch dort wo wenig Licht durch sie hindurchsickerte, begannen die Bakterien zu wachsen und dieser Wachstumsprozess wird das Abbild - stellvertretend für den Gegenstand - letztlich auflösen.
In diesem komplizierten Versuchsfeld der gegenseitigen Verweise führt die Photographie einen dritten Zeit Index ein. Der erste ist der des Gebäudes oder des Gegenstandes, die tatsächlich bestanden haben und zerfallen; der zweite ist der der Abbilder, die sich durch das Wachstum der Bakterien in mehreren Tagen formierten. Der dritte ist der der Photographie, die den ephemeren Zustand in einem Augenblick festhält und für lange Zeit dokumentiert.
Bacterium-Water Light(et) History (1999/2000)
Bacterium-Self Testimonies (1999/2000)
Bacterium-Vanitas (2000/2001)
All the works in the three series have a special method of image generation in common: it is based on the phototactic properties of certain bacteria. These bacteria orientate themselves towards the light. In a scientific experimental set-up, photographic processes are reproduced with bacterial cultures. Over the course of several days, the bacterial cultures grow to reproduce the images given to them. The movement and growth process of the bacteria in an agar nutrient solution in transparent petri dishes is similar to the exposure of photographic paper: the areas on which light falls become dark, those on which little light falls remain bright. For Bacterium-Water licht(et) Geschichte and Bacterium-Selbstzeugnisse, the negatives were projected onto the bacterial cultures, as in classical photography. The series Bacterium-Vanitas follows the photogram process: the objects to be depicted were placed between the Petri dish and the light source shining from below. The images created by the organic growth process of the bacteria were photographed and enlarged to approx. 80 x 80 cm. These works document a highly ephemeral state, a moment in an organic process of emergence and decay. The fragility of this state radiates from the shadowy images, reminiscent of the experiments of the early days of photography. At the same time, the process follows a scientific experimental arrangement and its documentation. All the pictures have the same round format, bordered by the edge of the petri dish.
For Bacterium - Self-Testimonies, microscope images of the structures of individual bacteria were projected onto petri dishes filled with bacterial solution. In this way, the bacterial cultures reproduce their own micrograph. A myriad of organisms that are invisible to the eye form a super-sign of these very organisms, whose liveliness is incorporated into their image.
The series Bakterium-Wasser licht(et) Geschichte (Bacteria-Water Illuminates History) reflects on the potential transformation of all architecture into ruins using the example of the Kiel submarine bunker Kilian (which has since been blown up). Inside the petri dishes, one can make out the outlines of the partially destroyed, gigantic bunker. Parts of the bunker seem to be sinking into the water like a shipwreck, others still stand upright, with dark window cavities and apparently metre-thick concrete walls, but already attacked by decay. The decay of the building is paralleled by the emergence and decay of its image in the Petri dish. The transience of matter is a main idea of the third series, Bacteria-Vanitas. Edgar Lissel takes up motifs from classical still lifes, such as fruit or dead animals. Their decay is transferred to their image in the Petri dish. The objects appear as relatively distinct bright silhouettes; but even where little light seeped through them, the bacteria began to grow and this growth process will ultimately dissolve the image - representative of the object.
In this complicated experimental field of mutual references, photography introduces a third index of time. The first is that of the building or object that actually existed and decayed; the second is that of the likenesses that formed through the growth of bacteria over several days. The third is that of photography, which captures the ephemeral state in an instant and documents it for a long time.
Serie: Bakterium - Selbstzeugnisse 2000-2001
Fotografie auf Hahnemühle Photo Rag
80 × 80 cm. Auflage von 5 + 2 A.P.
Neuer Druck, der vom Künstler autorisiert ist.
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