Boris Eldagsen ist in der deutschen Photoszene ein Solitär, der sich keiner Schule zurechnen lässt. Seine Photo- und Video- Arbeiten wurden in Galerien und Institutionen weltweit gezeigt. Multimedial arbeitend setzt er sich intensiv mit dem Unterbewusstsein auseinander, das ihn zu immer wieder neuen Bilderwelten inspiriert.
Seit 2022 entstehen fotorealistische Bilder mit Hilfe Artificial Intelligence (AI). Wir freuen uns, ihnen eine erste Auswahl an Werken als Edition anbieten zu können. In 2023 sollen weitere Werke als NFT herausgegeben werden.
Boris Eldagsen is a solitary figure in the German photo scene who cannot be categorised as belonging to any school. His photographic and video works have been shown in galleries and institutions worldwide. Working in multimedia, he deals intensively with the subconscious, which inspires him to constantly create new worlds of images.
Since 2022, he has been creating photorealistic images with the help of Artificial Intelligence (AI). We are pleased to be able to offer you a first selection of works as an edition. In 2023, further works will be published as NFT.
Machine Learning Imagery
Veröffentlicht von ProfiFoto am 22. August 2022
Machine Learning Imagery ist die Erstellung von Bildern mit Künstlicher Intelligenz auf Basis von Bild-Uploads oder Texteingaben. Der Fotomedia-Künstler Boris Eldagsen – unter anderem Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie, DFA, und dort zuständig für alles Digitale – im Gespräch mit ProfiFoto über seine Erfahrungen mit Artificial Intelligence (AI) zur Erzeugung fotorealistischer Bilder.
ProfiFoto: Boris, Du bist als Betatester bei DALL E2 hinausgeworfen worden, dem aktuell fortschrittlichsten AI-System, das aus einer Beschreibung in natürlicher Sprache fotorealistische Bilder und Kunstwerke erstellen kann. Was ist schiefgelaufen?
Boris Eldagsen: Nichts, ich wollte die Grenzen des Systems erproben, und das war erfolgreich. DALL E2 ist ähnlich restriktiv wie Facebook. Nacktheit, Sex, Gewalt, Krieg sind unerwünscht, User sollen Bilder erzeugen wie „Ein Otter mit Perlohrring, gemalt von Vermeer“ oder „American Footballspieler im Stile Van Goghs“. Ich wollte herausfinden, ob ich die KI benutzen kann, um zusätzliches Bildmaterial für ein aktuelles Projekt zu generieren („Trauma Porn“, in dem ich und mein Künstlerfreund Tanvir Taolad aus deutschen Nachlässen erstandene Privatfotos aus dem 2. Weltkrieg verwenden). Schnell wurde mir klar, dass ich mit Eingaben wie Wehrmachtssoldat oder 2.Weltkrieg kein Ergebnis erziele und verwarnt werde. Aber es gibt Workarounds. Und es hat mich gereizt, diese herauszufinden. Ein Tipp: Handlungen nicht mit Verben bezeichnen, sondern umschreiben wie Körper zueinander stehen – oder anstelle der Handlung das emotionale Ergebnis beschreiben.
ProfiFoto: Wie funktioniert das System für Dich als User?
Boris Eldagsen: Es gibt zwei Möglichkeiten Bilder zu erzeugen. Erstens über einen Bildupload. Dies dürfen aber keine Porträts sein, da DALL E2 es zur Zeit nicht zulässt, die Gesichter existierender Menschen weiterzuverarbeiten. Zweitens über Spracheingabe, sogenannte „Prompt“. Für mich die spannendere Option, denn man muss das Bild vorher visualisieren und dann in Sprache beschreiben können. Das kann ganz einfach sein, siehe das Otter-Beispiel oben, oder sehr detailliert, wie zum Beispiel „Ein Schwarzweiß-Foto eines dicken Otters mit drei Pfoten der sich in die Nase des von Vermeer gemalten Mädchens mit Perlohrring verbeißt, dahinter Vermeer der weinend auf die Knie fällt, Foto im Stile von Cartier-Bresson“. Ich bevorzuge letzteres. Benutzt man dabei geblockte Wörter bekommt man eine Verwarnung.
Beide Workflows erzeugen jeweils vier Versionen. Von hier aus gibt es wiederum zwei Möglichkeiten weiterzumachen:
Über „Edit“ kann ich Teile des Bildes, mit dem ich unzufrieden bin, löschen, und mit einem abgeänderten Prompt wieder in vier Varianten ausrechnen lassen. Oder ich nehme ein erzeugtes Bild, das mir gefällt und lasse die KI ohne Prompt über das ganze Bild improvisieren und vier weitere Varianten ausrechnen. Das Ziel meines Tests war es, mit der KI über Spracheingabe Bilder zu erzeugen, die dermaßen die Regeln des Systems brechen, dass sich die KI weigert den „Edit“ oder weitere „Varianten“ auszuführen. Dann bekommt man eine Verwarnung. Ich hatte ca. 50 Verwarnungen, bevor ich gelöscht wurde.
Was ich wollte ist, dass die Bilderzeugung weg geht vom „Decisive Moment“, hin zur Malerei. Mittlerweile weiß ich, dass das Arbeiten mit Prompts eher wie Bildhauerei ist, mit jeder Schleife „meißelt“ man das Bild feiner aus der KI.
ProfiFoto: Welche anderen AI-Systeme zur Bilderzeugung gibt es aktuell? Wie sind die im Vergleich?
Boris Eldagsen: Es kommen mehr und mehr Anbieter auf den Markt. Die bekannteste Alternative ist Midjourney, das über den Discord Server läuft, oder Disco Diffusion von Google. DALL E2 ist eindeutig benutzerfreundlicher, aber ich musste sechs Wochen ab der Registrierung warten, um zugelassen zu werden. Neu ist dreamstudio, das sich vorgenommen hat, so gut wie DALL E2 zu werden, aber ohne Zensur.
Ich teste es seit kurzem und kann sagen, dass es nur wenig blockierte Wörter in den Prompts gibt, die Ergebnisse weitaus explizierter sind und dreamstudio auch keine Verwarnungen ausspricht. Dafür ist es eindeutig
teurer. Aber mit dreamstudio ist die Büchse der Pandora offen und es dauert nicht mehr lange bis die Erzeugung von KI Porn in der breiten Masse ankommt. Spätestens 2023/24.
ProfiFoto: Du als Kreativer – siehst Du AI Systeme eher positiv oder negativ?
Boris Eldagsen: Da ich weder mit Illustration noch mit Stock-Photography, Werbefotografie oder Pornografie mein Geld verdiene, sehe ich es positiv. Es ist ein weiteres Werkzeug, und wie bei Photoshop hängt es davon ab, wie man es benutzt. Es wird aber sehr sicher die bereits erwähnten Berufszweige zerstören. Das ist für diese besonders hart, da die KI ja auf das im Internet vorhandene Bildmaterial zurückgreift, das von diesen Berufsgruppen in der Vergangenheit erzeugt wurde.
ProfiFoto: Welche Verbesserungen wünscht Du Dir an solchen Systemen?
Boris Eldagsen: Im KI-Fotobereich ist DALL E2 sehr schlecht mit Gesichtern und realistischer Darstellung von Szenen, die keine Close-Ups oder Porträts sind. Die höchste Auflösung ist momentan HD. Das war vor einem Jahr aber noch undenkbar. Sobald diese „Kinderkrankheiten“ überwunden sind, wird sich unsere Bildproduktion radikal verändern.
ProfiFoto: Wie werden die Möglichkeiten solcher AI Systeme die Fotografie verändern?
Boris Eldagsen: Die Unterscheidung zwischen „fake“ und „real“ wird noch schwerer. Jeder kann ein Foto mit dem Papst in einer Striptease-Bar generieren und in Umlauf bringen. Dies wird zu massiven politischen und wirtschaftlichen Schäden führen, da man es natürlich auch als Waffe einsetzen wird. Irgendwann wird niemand mehr einem Foto einen „Realitätsgehalt“ zuweisen. Fotografie wird eine andere Form von Malerei. In der Pornografie braucht es keine echten Körper mehr und die Bildproduktion überlässt sich vollends dem Kopfkino.
ProfiFoto: Also überwiegen für die Wahrnehmung von Fotografie in der Gesellschaft eindeutig die negativen Aspekte, mehr noch, als vor rund 30 Jahren bei der Einführung von Photoshop?
Boris Eldagsen: Die Auswirkungen werden gesamtgesellschaftlich massiver sein. Momentan sehe ich gesellschaftlich mehr Nachteile als Vorteile, kreativ mehr Vorteile als Nachteile.
ProfiFoto: Als Fotograf hat man ja angeblich das Bild im Kopf, bevor man es aufnimmt. Gibt es also am Ende gar keinen Unterschied zwischen “echten” und AI-basierten Bildern?
Boris Eldagsen: Doch, denn die meisten Fotografen reagieren ja auf eine Welt, die sich VOR der Linse befindet. Mit KI müssen sie die Inhalte aus SICH SELBST ziehen. Dies ist eine radikale Umstellung, eine fundamentale andere Herangehensweise. Da ich künstlerisch schon lange diese Umstellung vollzogen habe, ist KI für mich eine Bereicherung. Wer sich für das Thema interessiert: Der Verein Berliner Künstler (VBK) startet im September eine 7-teilige Vortrags- und Diskussionsreihe zum Thema Kunst und Künstliche Intelligenz, die einen guten Einstieg in die Materie vermittelt. Ich freue mich, für den VBK den kostenlosen Facebook-Livestream zu betreuen.
Machine Learning Imagery
Published by ProfiFoto on 22 August 2022
Machine Learning Imagery is the creation of images with Artificial Intelligence based on image uploads or text input. Fotomedia artist Boris Eldagsen – among other things a member of the German Photographic Academy, DFA, where he is responsible for everything digital – talks to ProfiFoto about his experiences with Artificial Intelligence (AI) to create photorealistic images.
ProfiFoto: Boris, you were kicked out as a beta tester for DALL E2, currently the most advanced AI system that can create photorealistic images and artwork from a description in natural language. What went wrong?
Boris Eldagsen: Nothing, I wanted to test the limits of the system, and that was successful. DALL E2 is similarly restrictive as Facebook. Nudity, sex, violence, war are undesirable, users are supposed to create images like “An otter with a pearl earring, painted by Vermeer” or “American football player in the style of Van Gogh”. I wanted to find out if I could use the AI to generate additional imagery for a current project (“Trauma Porn”, in which I and my artist friend Tanvir Taolad use private photos from World War II acquired from German estates). I quickly realised that I would get no result with entries like Wehrmachtsoldat or 2.Weltkrieg and would be warned. But there are workarounds. And it appealed to me to find them out. A tip: Don’t describe actions with verbs, but describe how bodies relate to each other – or describe the emotional result instead of the action.
ProfiFoto: How does the system work for you as a user?
Boris Eldagsen: There are two ways to create images. Firstly, via an image upload. However, these must not be portraits, as DALL E2 currently does not allow the faces of existing people to be processed. Secondly, via voice input, so-called “prompts”. For me, this is the more exciting option, because you have to be able to visualise the image beforehand and then describe it in speech. This can be very simple, see the otter example above, or very detailed, such as “A black and white photo of a fat otter with three paws biting into the nose of the girl with a pearl earring painted by Vermeer.
with Vermeer weeping on his knees, photo in the style of Cartier-Bresson”. I prefer the latter. If you use blocked words, you get a warning.
Both workflows produce four versions each. From here, there are again two ways to continue:
Via “Edit” I can delete parts of the image I am dissatisfied with, and with a modified prompt have it calculated again in four versions. Or I take a generated image that I like and let the AI improvise over the whole image without a prompt and calculate four more variants. The aim of my test was to create images with the AI via voice input that break the rules of the system to such an extent that the AI refuses to execute the “edit” or further “variants”. Then you get a warning. I had about 50 warnings before I was deleted.
What I wanted is for the image making to move away from the “Decisive Moment”, to painting. Meanwhile I know that working with prompts is more like sculpting, with each loop you “chisel” the image finer from the AI.
ProfiFoto: What other AI systems for image creation are currently available? How do they compare?
Boris Eldagsen: There are more and more providers coming onto the market. The best-known alternative is Midjourney, which runs on the Discord server, or Disco Diffusion by Google. DALL E2 is clearly more user-friendly, but I had to wait six weeks from registration to be approved. New is dreamstudio, which aims to be as good as DALL E2, but without censorship.
I have been testing it recently and can say that there are few blocked words in the prompts, the results are far more explicit and dreamstudio does not give warnings either. But it is definitely more expensive. But with dreamstudio, Pandora’s box is open and it won’t be long before AI porn generation reaches the masses. 2023/24 at the latest.
ProfiFoto: You as a creative – do you see AI systems rather positively or negatively?
Boris Eldagsen: Since I don’t earn my money with illustration, stock photography, commercial photography or pornography, I see it positively. It’s another tool, and like Photoshop, it depends on how you use it. But it will very definitely destroy the professions I already mentioned. It’s especially hard for them, because the AI is using the images that are available on the internet and that have been produced by these professions in the past.
ProfiFoto: What improvements would you like to see in such systems?
Boris Eldagsen: In the AI photo area, DALL E2 is very bad with faces and realistic representation of scenes that are not close-ups or portraits. The highest resolution is currently HD. But this was unthinkable a year ago. As soon as these “teething troubles” are overcome, our image production will change radically.
ProfiFoto: How will the possibilities of such AI systems change photography?
Boris Eldagsen: The distinction between “fake” and “real” will become even more difficult. Anyone can generate and circulate a photo with the Pope in a striptease bar. This will lead to massive political and economic damage, as it will naturally be used as a weapon. At some point, no one will assign a “reality content” to a photograph. Photography will become another form of painting. In pornography, real bodies are no longer needed and the production of images is completely left to the cinema of the mind.
ProfiFoto: So the negative aspects clearly outweigh the negative aspects for the perception of photography in society, even more so than when Photoshop was introduced some 30 years ago?
Boris Eldagsen: The effects will be more massive for society as a whole. At the moment, I see more disadvantages than advantages socially, more advantages than disadvantages creatively.
ProfiFoto: As a photographer, you supposedly have the image in your head before you take it. So in the end, is there no difference between “real” and AI-based images?
Boris Eldagsen: Yes, there is, because most photographers react to a world that is in front of the lens. With AI, they have to draw the content from THEMSELVES. This is a radical change, a fundamentally different approach. Artistically, I have been making this shift for a long time, so AI is enriching for me. Anyone interested in the subject: The Verein Berliner Künstler (VBK) is starting a 7-part series of lectures and discussions on the subject of art and artificial intelligence in September, which will provide a good introduction to the subject. I am happy to host the free Facebook livestream for the VBK.