Künstler-Statement
„Orientalismus“ nennen wir die feste Vorstellung oder den verzerrten Blick der westlichen Gesellschaften auf den Osten, der entstanden ist aus dem kulturellen Vorurteil des Westens. Relativ im Gegensatz dazu steht der Begriff „Okzidentalismus“. E. Said kritisierte bereits, dass beide Termini nichts als falsche Vorstellungen implizieren, bei denen andere Kulturen aus einem ethnozentrischen Blickwinkel betrachtet werden, und diese Annahme hat die Invasion der westlichen Imperialisten in den Osten legitimiert. Aus historischer oder sozialer Sicht ist einer der wichtigsten Standards die Differenz zwischen den Kulturen und den Sprachen gewesen, die ein Unterscheidungsmerkmal zwischen den sozialen Klassen darstellt. Zudem ist Krieg einer der signifikanten Faktoren, der es uns ermöglicht, das Wesen der Weltgeschichte zu verstehen. Die sozialen Klassen wurden durch die Kriege und die dadurch verursachte Situation einer in die Enge getriebenen Gesellschaft differenzierter. Es war das Zeitalter des Imperialismus, das dieses Gesetz des Dschungels mit Gewalt in vollem Umfang beschleunigte.
H. Spencers „Sozialdarwinismus“ ist nichts anderes als die Ideologie, die den Imperialismus des „Gesetzes des Dschungels“ rechtfertigte. Dieser Imperialismus führte schließlich, gemäß der Vorstellung des Orientalismus, zu der Annahme, dass der Westen als Sieger den Osten als Verlierer aus seinem voreingenommenen Standpunkt verstünde. Des Weiteren verursachte diese historische und kulturelle Voreingenommenheit ein weiteres Vorurteil in kapitalistischen Gesellschaften gegen soziale Stellungen, die von Generation zu Generation durch Bildung oder andere soziale Konventionen übertragen wurden. Das Vorurteil gegen einen orientalischen Mann in der westlichen Gesellschaft habe ich in seiner extremen Form selbst erlebt als Gefühl der Entfremdung oder Chaos der Identität. Mit anderen Worten, diese, meine Emotionen stehen im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Vorurteil und mit meinen persönlichen Sorgen, die darauf zurückzuführen sind.
Meiner Ansicht nach tritt dieses Vorurteil des Westens besonders deutlich in den westlichen Portraits hervor. Alle von mir studierten westlichen Portraits sind Ölgemälde und alle Personen in den Gemälden scheinen so dargestellt worden zu sein, dass ihre Überlegenheit und geistige Stärke potenziert wird. Die Porträts von König Heinrich VIII oder das von Königin Elisabeth I., stellen beispielsweise Figuren von zwei aggressiven Menschen dar, die einen großen Beitrag zur Konstituierung des großen Englands geleistet haben. Hier denke ich, dass die Fähigkeit von Ölgemälden und die der Abbilder zwei wesentliche Aspekte sind, die mir eine Annäherung und Auseinandersetzung mit der westlichen Gestalt ermöglichen, gerade weil diese Aspekte so westlich sind, dass sie kaum in der östlichen Kultur zu finden sind. Anders formuliert, die Ölmalerei ist nicht Teil der östlichen Kultur, ein typisches Porträt des Ostens ist mit Wasserfarbe gefertigt und beschreibt eine Person nicht durch ein derart aggressives Abbild. So habe ich diese westliche Malweise auf meine fotografischen Arbeiten angewandt, um meine Emotionen von „Fremdheit und Vorurteilen“ durch meine Kunst auszudrücken. So sind Werke aus „Existing in Costume 1“ von den traditionellen englischen Porträts in Hinblick auf typische Merkmale wie der starke Farbkontrast, die Komposition, die Pose der Person und der Hintergrund der Zeit inspiriert.
Von nun an beabsichtige ich, diese Vorstellungen aus den Geschichten der Helden oder der Heldinnen in den traditionellen westlichen Märchen zu suchen, als Bindeglied in einer Kette von Bemühungen, die darauf abzielen, meiner Arbeiten weiterzuentwickeln. Während die Motive in dem ersten Teil meiner Werke der Geschichte entnommen worden sind, werden die im zweiten Teil auf traditionellen westliche Märchen basieren. Das bedeutet, obwohl ich meiner Philosophie in meinen Werken treu bleibe, werde ich die Materialien für den Ausdruck meiner Emotionen an einem anderen Ort suchen. Darüber hinaus zeigt es indirekt, dass die Gefühle der „Fremdheit und Vorurteile“, die, wie ich meine, überall in der westlichen Gesellschaft kohärent sind, existieren.
Ich glaube, dass sowohl Geschichte als auch Märchen etwas gemeinsam haben, da sie ihre Leser dazu bringen, eine feste Schlussfolgerung oder einen bestimmten Gedanken anzunehmen. Anders formuliert „Geschichte so zu beschreiben, wie sie war“, wie L. Ranke im 19. Jahrhundert behauptet hat, wurde als Irrtum entlarvt, da Geschichte nichts anderes ist als eine Geschichte, die nach der Auffassung von E.H. Carr „ein Historiker und seine (niedergeschriebenen) Fakten“ erzählt. Das Paradigma zeitgenössischer Geschichtsschreibung ist, dass sie die „große Erzählung“ eines Historikers verleugnet, wie es J. Derrida mit seinem Begriff der „Dekonstruktion“ konstatierte. Daher schlussfolgere ich, dass die Erzählung eines Märchens der Geschichte so ähnlich ist, weil sie dazu tendiert, eine feste Vorstellung von Tugend oder einen vorgeformten Gedanken den Lesern unwissentlich einzuflößen. Deshalb stellt die Auswechslung der Quelle meiner historischen Motive keinen Bruch mit der Konsistenz der Philosophie in meinem Œuvre dar.
Ich habe einige repräsentative westliche Märchen für meine neue Tätigkeit untersucht wie beispielsweise Cinderella, Schneewittchen, Rapunzel, die Schöne und das Biest und andere. Was ich in fand war Folgendes: In diesen Geschichten gibt es bestimmte soziale Klassen, und alle von ihnen enthalten subtile Botschaften, dass die Schwachen sich der von den Starken entworfenen Ordnungen fügen, um glücklich zu sein. Dieser Punkt entspricht der historischen Tatsache, dass die mächtigen westlichen Länder ihr Regime in den eroberten Ländern stärken und festigen wollten, indem sie die Eroberten mit ihrer bestehenden Ideologie indoktrinierten. In der Erweiterung meiner künstlerischen Arbeit der ersten Hälfte werde ich die verborgenen Vorstellungen in den westlichen Märchen neu interpretieren und sie als wichtige Motive für meine Werke in der zweiten Hälfte verwenden.
Von Chan Hyo BAE
Artist Statement
We call western people’s fixed notion or a distorted view toward the East ‘Orientalism,’ which originated from the cultural prejudice in the West, and ‘Occidentalism is a comparative notion which makes a contrast with Orientalism. E. Said formerly criticized that both are nothing but false images that see other cultures from an ethnocentric viewpoint and this tendency has justified the western imperialists’ invasion against the East. From a historical or social point of view, the difference of culture and language has been one of the most important standards that make a distinction between various social classes. Additionally, a war is one of the most significant factors that enable us to grasp the essence of the world history, and the social classes became more differentiated in this ‘weak-to-the-wall kind of society’ caused by the wars. It was the age of imperialism that accelerated this law of the jungle by force in a full scale.
H. Spencer’s ‘Social Darwinism’ is nothing other than the ideology that justified imperialism of ‘the law of jungle.’’ This imperialism ultimately brought about Orientalism that the West as a winner will understand the East as a loser from its prejudiced point of view. Furthermore, this historical and cultural prejudice caused another prejudice against social positions in capitalist societies, transmitted from generation to generation by education or other social conventions. The prejudice against an Oriental male in the western society has been shown to me as an utmost form such as the feel of alienation or the chaos of identity. In other words, these emotions of mine are related to the prejudice mentioned above and personal worries which is due to it.
From my point of view, this prejudiced notion of the West is the most highlighted particularly in the western portraits. All the western portraits that I have observed are drawn by oil painting, and all the persons in the pictures seem to be described, following the direction that their superiority and tough spirits are maximized. For example, the portraits of the King Henry VIII or the Queen Elizabeth I that I saw are the ones that described the shapes of the aggressive people who had made a big contribution to building ‘the great England.’ Here I think that the skill of oil painting and the images of the people described by it are two essential factors that make it possible for me to approach the shape of the West because these points are so western that they are hardly shown in the eastern culture. In other words, oil painting has not been used in the eastern culture, and a typical eastern portrait drawn by water painting does not describe a person as an aggressive image. Thus, I have applied this western painting method to my photographic works in order to express my emotions of ‘alienation and prejudice’ in the world of my art. For instance, some distinctive features such as the strong color contrast, composition, the pose of the person and the background of the time which are shown in the one of my works, ‘Existing in Costume 1’ were inspired by these traditional English portraits.
From now on, I intend to seek these notions from the stories of the heroes or the heroines in the traditional western fairy tales, as a link in a chain of the efforts that aim at developing my works more than ever. In other words, in the first half of my activities, though the motives used in my works were from history, those in the second half will be based on traditional western fairy tales. It means, although the philosophy in my works will be the same, I will pursue the materials for expressing my emotions in another place. Furthermore, it indirectly exposes that the feelings of ‘alienation and prejudice’ that I have coherently claimed exist everywhere in the western society.I think that both history and fairy tales share a common point with each other in that they lead their readers to accept a fixed conclusion or thought.
In other words, ‘describing the history as it used to be’ which had been claimed by L. Ranke in the 19th century became turned out to be false, and history is nothing but a story which describes ‘a historian and his facts’ as what E. H. Carr claimed. Thus, describing history in present age goes to the direction that denies a historian’s ‘grand narrative’ like what J. Derrida claimed by his notion of ‘deconstruction.’ From this viewpoint, I claim that narrating a fairy tale is quite similar to describing history in that it tends to unwittingly infuse a fixed virtue or a formed frame of thought to the readers who experience it. Therefore, for me to convert the source of my motives from history to fairy tales does not break the consistency of the philosophy in my works.
I have examined some representative western fairy tales for my new activity; for example, Cinderella, Snow White, Rapunzel, Beauty and the Beast and so on. What I found in them is there are definite social classes in these stories, and all of them contain tacit messages that the weak should obey the order designed by the strong in order to enjoy happiness. This point corresponds to the historical fact that the powerful western countries intended to strengthen and solidify their regime in the conquered countries by indoctrinating their governing ideology to those whom they ruled. Thus, on the extension of my working activities in the first half, I am to reinterpret these notions hidden in the western fairy tales and use them as the important motives for my works in the second half.
By Chan Hyo BAE
Fairytales, 2008 - 2010
80 x 102 cm
Edition: 7
230 x 180 cm
Edition: 3
C-print