CHAN-HYO BAE


Witch Hunting Project


Künstler-Statement

 

„Wer ist dein Gott?“

„Mein Glaube gründet auf der Vernunft, daher ist mein Glaube die letzte Wahrheit.“

„Diejenigen, die an meinen Gott glauben, werden erlöst werden, und die Teufel werden im Namen Gottes bestraft werden.“

„Herr! Errette uns…”

 

Die Menschheit entstand durch biologische Evolution. Die Menschen blühten auf durch die kulturelle Evolution, kämpften gegen die Natur. Sie machten sich zu besonderen Wesen, indem sie komplexe Gesellschaften bildeten und ihre Kultur nach ihren Wünschen entwickelten. Aber sie waren unvollkommen. Sie waren nicht in der Lage, die Welt eindeutig mit ihrer Vernunft zu interpretieren und definierten deshalb einen Bereich des Göttlichen. Erlösung wurde als etwas gesehen, das von dem projizierten Bild Gottes ausgeht und Gott gewährte ihnen die soziale Ordnung. – Das Ziel dieses Projekts wird bedingt durch meinen Wunsch, die Grenze zwischen „kulturellem Vorurteil“ und „kultureller Fantasie“ kennenzulernen, und ich hoffe, die dem Menschen innewohnende Gewalt zu untersuchen, die sich unter dem Deckmantel des rationalen Denkens, der Vernunft manifestieren konnte. Grenzen menschlicher Vernunft werden häufig missverstanden als letzte Wahrheit. Immer war ich an den Themen „Bildung von sozialer Hierarchie“ und „Wünschen des Menschen“ interessiert. Das rührt von meinem Unbehagen her, welches ich durch die Definierung (als der Andere) in der disparaten Gesellschaft des Westens erlebt habe, wenngleich ich mich selbst niemals definiert habe. Gegen meinen Willen wurde ich in eine normative Schublade ihrer Fantasie gesetzt.   

 

Eine Gesellschaft formt eine gemeinsame Fantasie, kreiert „das Andere” und bürdet sich eine einseitige Interpretation von sich selbst und dem Anderen innerhalb eines hierarchischen Systems auf, um das zu bewahren, was sie geschaffen hat. Das zeigt, wie die seit langer Zeit erlernte „symbolische Gewalt“ in einzelnen Handlungen wiederholt wird. Ich versuche daher, die Identität des „Anderen“ als ein Opfer sozialer Konzepte und Regulationen zu verwerfen und die Unvollkommenheit von Wahrnehmung und Gewalt zu vereiteln, die im soziokulturellen Rahmen besteht. Wahrnehmung, auf Rationalität basierend, kann zu voreiligen Schlussfolgerungen führen wie der Ignorierung der persönlichen Geschichte und Kultur eines Individuums. Diese auf das Individuum einwirkende (soziale) Wahrnehmung kann als eine Form von Gewalt beschrieben werden. Durch dieses Projekt möchte ich aufdecken, wie diese „Gewalt der Wahrnehmung“ fortbesteht in unseren gesellschaftlichen Gruppen. Ich möchte mein Studium der menschlichen Wahrnehmung bei anderen Kulturen beginnen und Differenzen und Limitationen kultureller Vorurteile und kultureller Fantasie verstehen lernen. Mit anderen Worten erforsche ich meine eigenen Definitionen von vor-existierenden kulturellen Vorurteilen und die kulturelle Fantasie, die ich immer für die der westlichen Kultur hielt.

 

Die Hexenverfolgung wird als der irrationalste, kollektive Wahnsinn in der westlichen Geschichte gesehen. Jene Handlungen der grausamsten Gewalt waren das Ergebnis von der Vorführung eines Beweises und dem Beweis rationalem Denkens und Begründens. Es ist also ein extremes Beispiel für ein Phänomen, welches Gewalt und Solidarität zu einem zweideutigen, zweifelhaften „Glauben“ durch die menschliche Vernunft legitimiert hat. Auf der Grundlage der Hexenverfolgung standen die problematischen Werte „Erlösung der Menschen“ und „Vernunft“ und das Ergebnis war eine soziale Ordnung namens „Religion“. Es ist mein Ziel, durch Gemeinsam-keiten zwischen der religiösen und der wissenschaftlichen Gesellschaftsordnung, meine kulturelle Fantasie des Westens zu verwirklichen, ebenso wie die Frage nach absoluten Glauben, der durch menschliche Vernunft entstand, zu beantworten. Anfangs mussten Menschen gegen die grausame Natur ankämpfen und ersehnten körperliche Erlösung. Aber die menschliche Vernunft brachte sie dazu, nach etwas Grundlegenderem zu suchen als das Physische. Folglich strebten sie nach geistiger Erlösung, die ihnen statt Tod das ewige Leben bescheren würde. Als unvollständige Geschöpfe sehnten sie sich danach, sie wünschten sich beständig Erfüllung und verfolgten beständig Wege, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Daher kann das „Verlangen“ des Menschen wie auch die Erlösung als grundlegende Absicht betrachtet werden. Es ist wichtig anzumerken, dass die Erlösung eines Menschen niemals allein erreicht werden kann. Sie muss innerhalb einer komplexen Systems anderer gesellschaftlich relevanter Werte wie Religion erfolgen. Wenn Erlösung im Rahmen sozialer Beziehungen funktioniert, ist sie der Gefahr ausgesetzt, verzerrt oder verdorben zu werden. Das heißt, es würde zwangsläufig zu einem Irrtum im absoluten Glauben kommen, der dem menschlichen Verlangen und der Vernunft entspringt. Der Irrtum, der in dem Prozess der Erlösung in der Gesellschaftsordnung auftreten kann, ist durch die Gewalt in der Geschichte, nämlich die Hexenverfolgung als Resultat absoluten Glaubens, bewiesen.

 

Die Verehrung von „Gott“ als Ausdruck des Wunsches nach Erlösung ermöglichte die Formierung einer Gesellschaftsordnung auf der Grundlage religiösen Glaubens. Religion hat die weltliche und die göttliche Welt voneinander getrennt und die Grundlage sozialer Hierarchie geschaffen. In der Gesellschaftsordnung wird es immer ein Tabu geben, und der Irrtum hinter diesem Konzept des Tabus wird dabei leicht ignoriert, zugunsten der Erhaltung der Gesellschaftsordnung. Dafür ist die Hexenverfolgung ein gutes Beispiel. Es zeigt, dass absoluter Glaube, der auf Vernunft gründet, niemals einen positiven Beitrag zu einer sozialen Ordnung hat. 

 

Es stellt sich die Frage, ob soziale Ordnung und Hierarchie als Folge der Ausübung von Religion entstanden sind oder vice versa, die Menschen die Religion benutzten, um ihren Wunsch nach gesellschaftlicher Macht zu erfüllen. Ich glaube nicht, dass die Menschen die Diskrepanz zwischen den sozialen Schichten und relational angelegter Überlegenheit von Anfang an gewünscht haben, als die weltliche und die göttliche Sphäre voneinander getrennt wurden.

 

Die Religion der Menschen und die Gewalt der Vernunft absoluten Glaubens wurden durch die Geschichte der Hexenverfolgung neu untersucht. Die Religion der Vergangenheit, sprich der „unsichtbare Glaube“, ist nicht länger eine treibende Kraft hinter der westlichen Gesellschaftsordnung im 21. Jahrhundert. Vielmehr hat die auf der Erfahrung basierende Wissenschaft Wurzeln geschlagen. Das kann man „sichtbaren Glauben“ nennen. Als sich der Impuls der Gesellschaftsordnung von dem „unsichtbaren Glauben“ der Religion hin zur Wissenschaft verlagerte, mit dem „durch die Erfahrung bestätigten Glauben“, hat sich auch das Paradigma der menschlichen Erlösung verschoben und eine andere Form eines sozialen Tabus hervorgebracht: „die Anderen“.

 

Die anderen Erfahrungen, voreingenommene Wahrnehmung und Diskriminierung der Gesellschaft gegen seinen Willen, wird ein Ziel der Gesellschaft, um die Fantasie einer einwandfrei und fehlerfrei funktionierenden Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Gewalt gegen einen Menschen wird auf der kognitiven und praktischen Ebene wiederholt, so lange wie die Menschen sich hinter der Maske der Vernunft im Streben nach einer Utopie verstecken und ihre Ignoranz und Arroganz über die Anderen verherrlichen. Daher unterscheiden sich Themen wie Rassismus und kulturelle Voreingenommenheit nicht von der einstigen Hexenverfolgung. Es sind Phänomene, die zeigen, dass sich Geschichte wiederholt.

 

Die Europäische Gesellschaft war einst besessen davon, eine ideale Substanz durch das Mischen verschiedener Chemikalien herzustellen: Gold. Die vergebliche Fantasie des Alchimisten ist ein gutes Beispiel für die Unzulänglichkeit der Rationalität und begründet, dass die westliche Kultur ihren blinden Glauben in etwas gesetzt und dabei die Unvollkommenheit ignoriert hat. Deshalb versuche ich, als der Andere dieser Zeit – oder als „Hexe“ – diese Alchemie wiederzubeleben, die in der westlichen Kultur über Jahrhunderte scheiterte. Ich möchte darüber hinaus das soziale Tabu durch meine eigene Fantasie neu interpretieren, ein Tabu, welches Vorurteile impliziert und rationales Denken und logische Beweise benutzt. Durch mystische Zauberei, dem Dasein des Anderen – nämlich anderer Kulturen, Rassen, Männer und Frauen und der Existenz von Wirklichkeit und Begierde – gelingt es, ein exzellentes Stück Gold herzustellen. 

 

„In der Hoffnung, dass die von den Menschen erträumte Erlösung nicht nur ein Querschnitt einer Fantasie ist, bin ich auf der Suche nach der Hexe unserer Zeit.“

 

Von Chan Hyo BAE

Artist statement

 

“Who is your god?”

“My faith is founded upon rational reason, therefore my faith is the ultimate truth.”

“Those who believe in my god will be saved, and the devils will be punished in the name of god”.

“God! Save us…”

 

Humanity came into being through biological evolution. Human beings flourished through cultural evolution, fighting against nature. They made themselves into special beings by building complex societies and developing culture, guided by their desires. But they were imperfect. They could not approve of the world that they were unable to clearly interpret with their reasoning, and defined it an area of deity. Salvation was seen as something that comes from the projected image of god, and god granting social order to humans. The ultimate aim of this project is driven by my desire to know the boundary between “cultural prejudice” and “cultural fantasy”, and I hope to study the violence within people that was allowed to manifest under the name of rational reason. Limitations of human reason are often mistaken as the ultimate truth. I have always been interested in “formation of social hierarchy” and “desires of human”. This came from my discomfort from being defined in the disparate society of the West, when I myself have never defined who “I” am, I was put into a normative box of their fantasy against my will.

 

A society forms a shared fantasy and creates ‘the Other’, and imposes unilateral interpretation on themselves and the Other with the framework of hierarchy in order to maintain what they have created. This shows how ‘symbolic violence’ that has been learnt over a long time is in action repeatedly.I therefore attempt to reject the identity of ‘the Other’ as a victim of social concepts and regulations, and foil the imperfection of perception and violence that exists within socio-cultural frames. Perception, under the cause of rationality, can lead to hasty conclusions of ignoring an individual’s personal history and culture. This perception forcefully placed on the individual can be described as a form of violence. Through this project, I would like to unveil how this ‘violence of perception’ is still persisting in our groups of society. I would like to start my study of human’s perception on other cultures by understanding the differences and limitations of cultural prejudice and cultural fantasy. In other words, I am exploring my own definitions of pre-existing cultural prejudice, and the cultural fantasy I always held for the Western culture.

 

Witch hunt is seen as the most irrational collective madness within history of the West. However, those actions of cruelest violence resulted from presentation of evidence and proof of rational reasoning. It is also an extreme example of phenomena that granted justification to violence and solidity to ambiguous ‘faith’ made by men’s reason. At the basis of witch hunt, values of ‘salvation of men’ and ‘rational reason’ existed as a problem, and the result of it was a social order called ‘religion’. Through similarities between religious and scientific social order, it is my aim to make my cultural fantasy of the West come true as well as question absolute faith that is produced by men’s rationality. In the beginning, men had to fight against cruel nature and had desired physical salvation. But the reasoning of men drove them to desire something more fundamental than the physical. As a result, they longed for spiritual salvation that would give them eternal life, not death. As imperfect beings, they would desire spiritual salvation, constantly wanting particular satisfaction and continuously pursuing ways to fulfill what they want. Therefore, men’s ‘desire’ itself can be their fundamental purpose, just like salvation. It is important to note that a man’s salvation can never be achieved by oneself. It must be realized within a complex relationship of other values of whatever moves the society, such as religion. When the matter of salvation operates within the framework of social relationships, it has a danger of being distorted and corrupted. This means there would inevitably be an error in the absolute faith that is born out of men’s desire and rationality. The error that can occur in the process of salvation being realized in the social order is proven by the violence in the history of witch hunt that is born out of absolute faith.

 

The worship of ‘god’ that is generated by the desire for salvation has made social order possible through religious faith. However, religion has separated the world of men and god, and has laid a foundation of social hierarchy. Taboo will always exist in the order of society, and the error behind this concept of taboo will easily be ignored in order to maintain social order. Witch hunt is a good example of this. This shows that absolute faith which grounds itself on rational reasoning can never positively contribute to social order.

 

There is still a question of whether social order and hierarchy was created because men made religion, or they have pursued to fulfill their desire for social power by using religion. However, I do not think men has desired the discrepancy between social strata and relative sense of superiority right from the beginning, which was created by separating the world of god and men.

 

Religion of men and the violence of rationality of absolute faith has been re-examined through the history of witch hunt. However, the religion of the past - in other words ‘unseen faith’- is no longer a driving force behind the social order of the West in the 21st century. Rather, science that bases itself on the experience has taken root. We can call this ‘seen faith’. As the impetus of social order has moved from the ‘unseen faith’ of religion to science that is the ‘faith as seen by experience’, the paradigm of men’s salvation has also shifted and has created yet another form of social taboo and ‘the Others’.

 

The other experiences prejudiced perception and discrimination of the society against his will, and becomes a target of society for it to maintain the fantasy that the society is functioning perfectly without errors. Violence against a human being is repeated on both cognitive and practical level, as people hide behind the mask of rational reasoning in pursuit of utopia, beautifying their ignorance and arrogance over the Other. Therefore, issues such as racism and cultural prejudice are not so different from the witch hunt of the past. They are a phenomenon that shows that history repeats itself.

 

The European society has once been obsessed with ways to produce an ideal substance of gold by mixing different chemicals. The alchemists’ fantasy-in-vain is a good example of the imperfection of rationality and reasons that the culture of the West has put their blind faith in, and their ignorance of this imperfection. Therefore, as the Other of this time - or a ‘witch’ - I attempt to revive this alchemy that the Western culture has failed over the centuries. I would also like to reinterpret social taboo through my own fantasy. Taboo that contains prejudice that utilizes rational reasoning and logical evidence. Through mystical magic of the existence of the Other - namely other cultures, race, men and women, and the existence of reality and desire, - this process will succeed in forging an excellent gold.

 

“Hoping that salvation men dreamt of is not just a cross section of a fantasy, I am in search of the witch of our time”.

 

By Chan Hyo BAE

 



Witch Hunting Project, 2013 - 2016

 

 230 x 540 cm

C-print 


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