Mehrere zehntausend Jahre sind vergangen, seit der Mensch nach Amerika kam. Unzählige Völker und Kulturen haben hier gelebt, eine Geschichte von Ort zu Ort konstruiert und dabei die Urgötter, die archetypischen Bilder, an ihre jeweilige Umgebung angepasst und Kosmogonien geschaffen, in denen die Ursprünge von Menschen, Tieren, Pflanzen und Göttern in einem Knoten zusammengebunden sind, den die Zeit immer enger gezogen hat. In der Kosmogonie und Mythologie eines jeden Volkes wiederholen sich die wesentlichen Fakten der menschlichen Existenz, wobei lokale Kräfte als Protagonisten und Zeugen auftreten. Jeder Hügel, See, Fluss, Wüste, Tal oder Stein nimmt an der Schöpfung des Kosmos teil und hat eine direkte, persönliche Beziehung zu den Bewohnern, die ihn beobachten und ihm einen Namen geben. C.G. Jung sagt, dass die Seele alle Bilder enthält, aus denen Mythen entstanden sind, und unser Unbewusstes ist ein aktives und passives Subjekt, dessen Drama der Mensch (...) in allen großen und kleinen Naturvorgängen wiederholt findet. Aus diesem Grunde hat jede Erscheinung der Natur einen allegorischen Charakter. Der Menschheit hat es nie an kraftvollen Bildern gefehlt, die ihr Schutz vor dem beunruhigenden Leben in den Tiefen der Seele boten. Die Muster im Unbewussten wurden schon immer durch schützende und wohltuende Bilder offenbart, die es erlauben, das Drama der Seele in den kosmischen Raum hinaus zu projizieren. Dies sind die Urbilder, die Jung wegen der universellen Koinzidenz mythologischer Themen Archetypen nannte. Die Interpretation dieser Themen in Bildern ist der Gegenstand dieser Studie; die Darstellungen nehmen als Schauplatz die außergewöhnlichen Landschaften Amerikas und als Inspiration die Ahnengeister der Völker, die sie noch immer lebendig halten. Diese Arbeit ist also ein persönlicher ikonographischer Vorschlag, der auf meinen Visionen, Träumen und Erfahrungen unter den bewunderten amerikanischen Ureinwohnerkulturen beruht. Es ist eine Hommage an sie, an ihre Weisheit, ihre Würde und ihr Überleben.
Ich habe die Götter Amerikas gesucht, von der rauen, steilen Sierra Madre Occidental der Huichol bis zum üppigen Herzen des Amazonaswaldes der Piaroa und Kayapo; von den Nebelwäldern der Kogui in der Sierra Nevada de Santa Marta bis zum ruhigen karibischen Meer der Kuna bei Kuna Yala; von der rätselhaften Gran Sabana der Pemón bis zu den kargen Wüsten der Wayuú; von den Küstenwäldern der Wiwa bis zu den majestätischen Andengipfeln des Quero. So zahlreich wie die Flüsse, die durch Amerika fließen, sind auch die Sprachen, die seine Geister beschwören. Seine Götter - Götter der menschlichen Rasse - sind tausendmal zerstört worden und tausendmal wiedergeboren worden, um zu herrschen und über unsere Schicksale zu bestimmen. Und so wird es bis zum Ende der Zeit weitergehen, denn lange nachdem der letzte von uns verschwunden ist, werden sie als unser intimstes und ursprünglichstes natürliches Pantheon weiter existieren.
Antonio Briceño
Several tens of thousands of years have gone by since humans came to America. Innumerable peoples and cultures have lived here, constructing a history from place to place while adapting the primordial gods, the archetypal images, to their particular environments, creating cosmogonies where the origins of human beings, animals, plants and gods are bound together in a knot that time has tightened. In the cosmogony and mythology of every people, the essential facts of human existence are repeated, taking local forces as protagonists and witnesses. Each hill, lake, river, desert, valley or stone participates in the creation of the Cosmos, and has a direct, personal relationship with the inhabitants who observe it and give it a name. C.G. Jung says that the soul contains all the images from which myths have arisen and our unconscious mind is an active and passive subject whose drama man (…) finds repeated in all big and small natural processes. For this reason, any manifestation of nature has an allegorical character. Humanity has never lacked powerful images that gave it protection against the disquieting life of the depths of the soul. The patterns in the unconscious mind have always been revealed through protective and beneficent images that permit the soul’s drama to be projected out into cosmic space. These are the primordial images that Jung called archetypes, because of the universal coincidence of mythological themes. The interpretation of these themes in images is the object of this study; the representations take as their setting the extraordinary landscapes of America, and as their inspiration the ancestral spirits of peoples who still keep them alive. This work is, then, a personal iconographical proposal, based on my visions, dreams and experiences among the admired aboriginal American cultures. It is a homage to them, to their wisdom, dignity and survival.
I have sought the Gods of America from the rough, steep Sierra Madre Occidental of the Huichol to the lush heart of the Amazon forest of the Piaroa and Kayapo; from the cloud forests of the Kogui in the Sierra Nevada de Santa Marta to the serene Caribbean sea of the Kuna at Kuna Yala; from the enigmatic Gran Sabana of the Pemón to the austere deserts of the Wayuú; from the coastal forests of the Wiwa to the majestic Andean peaks of the Quero. As numerous as the rivers that run through America are the languages that invoke its spirits. Its gods – gods of the human race – have been destroyed a thousand times and a thousand times been born again to reign and rule over our destinies. And so they will go on until the end of time, for long after the last of us has disappeared they will continue to exist as our most intimate and primordial Natural Pantheon.
Antonio Briceño
Die Photo Edition Berlin präsentierte 2015 den venezolanischen Fotokünstler Antonio Briceño (*1966), der sein Land 2007 bei der Biennale von Venedig mit den Werken „Götter Amerikas“ vertrat. Die Werke entstanden in den Jahren von 2001-07. Es war die erste Einzelausstellung in der Galerie.
Antonio Briceño ist einer der bedeutendsten Fotokünstler Venezuelas, dessen zentrales Thema seiner Arbeiten der Mensch in seiner Umgebung ist. Er setzt die Kosmogonie und Mythologie lateinamerikanischer Urvölker in eine subjektive Ikonografie um, die aus dem Dialog von zeitgenössischer Kunst und Ethnologie mit dem Medium der Fotografie entsteht. Seine Fotografien zeigen südamerikanische Schamanen/innen mit denen er monatelang gelebt hat und die er mit ihrer Erlaubnis porträtieren konnte. Um diesen Menschen nahe zu kommen, reiste er von der peruanischen Anden, durch den brasilianischen Urwald bis hin zum Sierra Madre in Mexiko, oftmals unter lebensgefährlichen Umständen. Die (über-)natürliche Verbindung der Schamanen zu ihrer Umgebung, ihr Erfahrungsschatz der Heilkräfte der Natur, der Elemente Wasser, Luft, Feuer und Erde, aus der sie ihre magischen Fähigkeiten und Kräfte ziehen, sind in den großformatigen Fotomontagen von Antonio Briceño beeindruckend künstlerisch dargestellt.
Die Ausstellung wurde organisiert von dem Kurator Tomás Rodríguez und wurde unterstützt durch die Botschaften von Kolumbien, Mexiko, Panama, Peru und Venezuela. Hier eine Ausstellungsbesprechung auf BLOUIN ARTINFO
In April 2015, Photo Edition Berlin presented the Venezuelan photographic artist Antonio Briceño (*1966), who represented his country at the 2007 Venice Biennale with the works "Gods of the Americas". The works were created in the years 2001-07. This is the first solo exhibition at the gallery.
Antonio Briceno is one of Venezuela's most important photographic artists, whose central theme in his work is man in his environment. He translates the cosmogony and mythology of Latin American indigenous peoples into a subjective iconography that emerges from the dialogue between contemporary art and ethnology with the medium of photography. His photographs show South American shamans with whom he lived for months and whom he was able to portray with their permission. To get close to these people, he travelled from the Peruvian Andes, through the Brazilian jungle to the Sierra Madre in Mexico, often under life-threatening circumstances. The (super-)natural connection of the shamans to their environment, their wealth of experience of the healing powers of nature, the elements of water, air, fire and earth, from which they draw their magical abilities and powers, are impressively artistically depicted in Antonio Briceño's large-format photomontages.
The exhibition was organised by curator Tomás Rodríguez and supported by the embassies of Colombia, Mexico, Panama, Peru and Venezuela. Here is an exhibition review on BLOUIN ARTINFO
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